Schneller als jeder Taschenrechner
300 Kinder lösen bei der Mathe-Magia 70 Rechenaufgaben in sieben Minuten mit dem Abakus
Frankfurter Rundschau, vom 18. Juli 2023
Frankfurt – Man muss nicht superschlau sein, um Matheaufgaben schneller richtig zu lösen, als man sie in den Taschenrechner tippen kann. Davon ist der Verein “Mein Brain” überzeugt. Bei der Mathe-Magia-Meisterschaft haben 300 Kinder gezeit, wie es geht.
Hoch über den Kopf halten 300 Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren einen Bleistift im Fritz-Bauer-Saal in der Saalbau Gallus. “Auf die Plätze, fertig, los”, sagt Erkan Beyazal, und 300 Arme senken sich, drehen das Papier auf den Tischen vor sich um und klackern. Nichts als hölzern-metallisches “Tak tak tak” und Bleistiftkritzeln ist sieben Minuten lang zu hören. 70 Matheaufgaben sollen die Kleinen in der Zeit lösen, in der viele Erwachsene sie nicht einmal erfassen können. Für jedes Alter un jeden Wissensstand gibt es unterschiedliche Aufgaben in insgesamt 13 Kategorien bei der fünften Mathe-Magia-Meisterschaft. “Erlaubt sind der Soroban Abakus, mentales Rechnen und die Fingertechnik”, erklärt Beyazal, der 1. Vorsitzende des Vereins Mein Brain, der gemeinsam mit Marianna Gurmann das Bildungsinstitut mit der Zauber-Rechnerei gegründet hat. Das klackernde “Tak tak tak” entsteht, wenn die Finger der Kinder Holzkugein auf dem japanischen Abakus hin und her shcieben und in affenartiger Geschwindigkeit addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren.
Kopfrechnen ist nicht erlaubt
Auch Finger-Rechnen geht anders als das Zehn-Finger-Suchsystem. Ebenso wie das mentale Rechnen, das anders funktioniert als das bekannte Kopfrechnen, das im Wettbewerb sogar zur Disqualifizierung führt. “Alles ist auf dem Abakus-Prinzip aufgebaut”, sagt Gurmann lachend zu staunenden Erwachsenen. Den Kleinen fällt es leicht. Manche sind lange vor den erlaubten sieben Minuten fertig und scheinen gezaubert zu haben. “War total einfach”, flüstert Amelie (6), und Erkan (8) nickt zustimmend.
“Es geht gar nicht um Mathematik bei uns, sondern um Lust, Neugierde, Konzentrationstraining und Magie”, so Gurmann, die Mathematikerin ist, acht Sprachen spricht und lange in einer Bank geareitet hat, bevor sie mit Beyazal Mein Brain gegründet hat. Ihr Sohn hatte Probleme in Mathematik in der Schule. “Er hat deswegen geweint”, sagt sie. Alles habe sie probiert und dabei das Kozept entwickelt. Mit ihm alleine ging es nicht, also haben wir seine Freunde eingaleden, und es wurden immer mehr. Was ihrem Sohn half, gute Noten zu bekommen, hat sie weiterentwickelt. Statt mit trockenen Zahlen wird mit Bildern im Kopf geübt. “Das trainiert die rechte Gehirnhälfte, die kaum gefördert wird”, so Gurmann. Auf die Haptik käme es an und darauf, in kleinen Schritten das logische Denken zu fördern. “Dabei sind natürlich auch die Eltern gefragt. Sie müssen mit motivieren und jeden Tag zehn Minuten lang mit den Kindern spielerisch üben, und so lernen alle zusammen das Zauberspiel der Zahlen.”
Eltern spielten ohnehin die Hauptrolle. “Und sie gendern falsch”, sagt sie lachend. “Wenn ihre Jungs in der 1. Klasse Probleme mit Zahlen haben, kommen sie zu uns. Bei ihren Töchtern sagen sie, dass sie ja gut in Musik und Ballett sind, und kommen erst viel später. Dabei sollten Mädchen genauso gefördert werden wie Jungs, aber das Rollenbild ist irgendwie immer noch drin, ist sie sicher.
Viel Spaß statt Horror-Noten
Bei Mein Brain gibt es für die Kinder jede Woche zwei volle Stunden Unterricht. Und ein magisches Buch für zu Hause, mit dem jeder jeden Tag zehn Minuten lernt. “Mehr braucht es nicht, dann flutscht das”, sagt ein Vater, der verzweifelt war, weil seine neunjährige Tochter “einfach nichts mit Rechnen begriffen hat und nur Horror-Noten bekommen hat. Jetzt schreibt sie nur noch gute Noten, und das völlig ohne Stress und Druck” sagt er und umarmt das Mädchen mit dem Pferdeschwanz, das souveräin alle Aufgaben gelöst hat. Stolz, fröhlich und selbstbewusst sind die Kinder und toben sich aus bei Taekwondo, Hip-Hop, Malen, Musik-intrumenten und leckerem Essen. Alle spielen zusammen und sind glücklich, die Meisterschaft geschafft zu haben. Pokale gift es für die Besten und alle kriegen eine Tüte voller Leckereien.
Nächstes Jahr wollen sie wieder dabei sein. Amelie verrät, warum: “Mathe ist einfach cool.”